"Vieles ist schwammig, es fehlen klare Ansagen"
Coronavirus an Schulen
Luftfilter im Klassenraum haben längst nicht alle Schulen in Sachsen.
© Hendrik Schmidt/dpa
Marion Hobohm – Leiterin Pestalozzischule Radeberg
„Unsere Oberschule ist erst mal geschlossen. Bei uns lernen insgesamt 370 Schüler. In den anderthalb Wochen vor der Schließung gab es 37 positive Corona-Tests bei Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften. Erst waren es vereinzelte Fälle, zuletzt zwölf an einem Tag. Das war zu viel, es wurde eine Schließung verhängt.
Am 6. Dezember können wir wieder öffnen, heißt es. Aber wenn ich mir die enorm hohen Inzidenzen in Sachsen anschaue, mache ich mir große Sorgen. Die Politik muss Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen, auch wenn es vielleicht einem Teil der Menschen nicht passt. Ich bin eher für flächendeckende Schulschließungen, so könnte man Kontakte in Innenräumen verringern und das Infektionsgeschehen beruhigen.
Natürlich wünsche ich mir Präsenzunterricht. Jeder Lehrer hat seine Klasse am liebsten vor sich, leibhaftig im Klassenzimmer und nicht über eine Videokonferenz. Aber ich sage auch: Priorität hat nicht die Schulöffnung, sondern die Gesundheit der Schüler, Lehrer und ihrer Familien. Ich will mich nicht als Hobby-Virologin aufspielen, da gibt es schon genug, ich kann nur die Lage in meiner Schule beobachten. Dass Schulen sichere Orte sind, wie einige behaupten, daran habe ich Zweifel. Natürlich passieren viele Ansteckungen in der Familie und in der Freizeit, aber das Virus kann eben auch in Schulen weitergegeben werden.
Wir haben Hygienekonzepte. Die Schüler tragen stundenlang Masken, das ist anstrengend. Es wird dreimal in der Woche getestet. Tägliche Tests wären angesichts des dynamischen Infektionsgeschehens besser. Aber hundertprozentig schützt das alles nicht. Die Kinder setzen die Masken beim Essen auch mal kurz ab. Es gibt Begegnungen auf den Gängen, das kann man nicht verhindern. In vielen Räumen zirkuliert die Luft nicht ausreichend, Filter gibt es nicht.
Und dann ist da noch das menschliche Leid. Im vergangenen Jahr ist die Mutter eines der Kinder an Corona gestorben. Das war schrecklich. Im Moment haben wir zum Glück recht milde Verläufe bei den meisten Schülern und Schülerinnen. Aber es gibt auch einen Jungen, der schon die dritte Woche krank ist, es geht ihm immer noch schlecht. Wir haben Kinder mit Vorerkrankungen, auf die wir besonders aufpassen müssen. Und Lehrerinnen und Lehrer, die zur Risikogruppe gehören.
Momentan machen wir über eine digitale Lernplattform Unterricht, das funktioniert, wir kennen es ja inzwischen. Trotzdem ärgert mich, dass vieles so langsam vorangeht, die Sache mit der Technik zum Beispiel. Unsere Lehrer haben keine dienstlichen Laptops, sie nutzen für den Digitalunterricht ihre eigenen Computer zu Hause. Und WLAN gibt es in unserer Schule auch nicht. So etwas ist nach anderthalb Jahren Pandemie frustrierend.“
Quelle: Zeit Online – Coronavirus an Schulen